April 18, 2014

Die Kanzanskaja von Pfelling

Die Kanzanskaja von Pfelling – eine Geschichte die vor 100 Jahren begann
oder
– wie die Kirche in Pfelling zu einer hoch verehrten russischen Ikone kam –
 
In den letzten Wochen des II. Weltkrieges kam ein Offizier mit seinen erwachsenen Kindern, von Ungarn kommend, mit einem Schiff in Pfelling an.Frau Menacher kann sich noch erinnern, auch daran, das an Bord eine Leine gespannt war, auf der Würste hingen.
Ein Oberst sei es gewesen so haben es sich die Pfellinger untereinander erzählt. Von einer K&K Uniform aus dem I. Weltkrieg war auch die Rede. Aber es wird wohl eine ungarische Uniform gewesen sein, deren Aussehen der Zivilbevölkerung nicht geläufig war. Der Mann, er war schwer Kriegsbeschädigt und trug eine Beinprothese, nannte sich Edler von M……. (ich nenne den Mann M) war in Begleitung seines erwachsenen Sohnes und einer ebenfalls erwachsenen Tochter. Die Familie konnte mit dem Schiff einen Teil des beweglichen Familienvermögens vor der anrückenden Sowjetarmee retten.

Zeitzeugen schätzen den Mann auf ca. 70 Jahre. Aber warum trägt ein alter, schwer Invalider Mann Uniform? Um von deutschem Militär bei der Flucht nicht behelligt zu werden, ja um bestenfalls Unterstützung zu erhalten? Wäre möglich. Die Zeitzeugen können, was das Alter betrifft, sich auch getäuscht haben und 5 – 6 Jahre zu viel geschätzt haben.

Frau Menacher erzählt mir:
Tiefflieger haben das Schiff beschossen, die Flüchtlinge beschlossen in Pfelling zu bleiben. Zerstört wurde das Schiff nicht. Wer es von den Ungarn „übernommen“ hatte, weiß sie nicht. In den Nachkriegsjahren ist es jedenfalls noch oft auf der Donau gefahren.
Die Schiffsladung wurde in Pfelling im Pfarrhof und bei einem Landwirt in der jeweiligen Scheune gelagert. Die Flüchtlinge bekamen in Welchenberg, im Bräuhaus eine Unterkunft.
Hier geriet der Oberst in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde in Bad Kreuznach interniert. Seine Angehörigen haben sich in Welchenberg in einem Nebengebäude der ehemaligen Brauerei, so gut es ging eingerichtet. Etwa 1950 verzog die Familie nach Brasilien.

Herr M. muss also zur Zeit der Gefangennahme noch Armeeangehöriger gewesen sein. Jedenfalls kam er 1947 nach Pfelling zurück.

Albert Komma erzählt mir:
Ich war aus eben erst aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden und nach Pfelling gekommen. Hier habe ich das Amt des Gemeindeschreibers übernommen. Zu mir kam ein ungarischer Oberst und übergab mir ein Bild, mit der Bitte der Pfarrer möchte doch diese Ikone in der Pfarrkirche aufstellen.
Aus Dank dafür dass er Krieg und Gefangenschaft überlebt hatte, solle die Gottesmutter von Kasan, (so die Darstellung der Ikone) nun wieder in einem sakralen Raum einen Platz finden.

Wie die Ikone in seinen Besitz gelangte, dazu erzählte der Ex Oberst folgende Geschichte:
Er war bei Kriegsbeginn des I. Weltkrieges Artillerieoffizier in Galizien. Beim Rückzug der K&K Armee vor den Russen, sollte er ein Dorf beschießen, diesen Befehl missachtete er. Nach der Rückeroberung des Gebietes, kam er mit seiner Einheit in das Dorf, welches er nicht beschossen hatte. Der Pope überreichte ihm Namen der Dorfgemeinschaft als Dank für die Verschonung des Ortes diese Ikone.
Herr M habe die Geschichte überzeugend erzählt, so das für ihn keine Zweifel an der Wahrheit bestanden. So Albert Komma

Pfarrer Rudolf Schuhbach hat im Jahr 2001 Frau Menacher und Herrn Komma befragt und eine Niederschrift angefertigt. Die Berichte der beiden befragten, so schreibt er decken sich im Wesentlichen. Etwas später habe ich mit den beiden Zeitzeugen gesprochen und festgestellt, dass die Berichte mit der Niederschrift von Pfarrer Schuhbach übereinstimmen.

So die Erzählung:
Überprüfbar ist die Geschichte nicht. Man kann anführen, wie konnten die Dorfbewohner wissen, wer in 10 – 20 Km Entfernung nicht auf sie geschossen hat? Man weiß aber von andern Fällen, dass es durch aus zwischen den Linien noch Kommunikation gab. Zutreffend und nicht möglich, halten sich die Waage.

Auf Nachfrage beim österreichischen Kriegsarchiv in Wien, konnte ein Offizier auf den Name, Dienstgrad, Alter und Waffengattung passen nicht gefunden werden. Aber nach Ende des I. Weltkrieges wurden teilweise Stammrollen von ungarischen Soldaten den ungarischen Behörden übergeben. Was doch noch im ungarischen Archiv gelandet ist, wurde 1944 beim Einmarsch der Sowjetarmee, durch Brand vernichtet.
Feststellen konnte ich dass es sich um eine im damaligen Ungarn, weitverzweigte adelige Familie handelte, aus der viele in der K&K Armee als Offiziere – zum Teil hoch dekoriert – dienten.

Pfarrer Offenbeck
der damalige Pfarrer ließ die Gottesmutter Ikone nach dem Willen des Stifters in der Pfarrkirche aufstellen. Hier verblieb sie auch mehr als 20 Jahre. Bei der Umgestaltung des Kircheninnenraumes in den späten 1960 er Jahren, wurde neben der Kanzel und den Seitenaltären auch die Ikone aus der Kirche entfernt.

Pfarrer Albersdörfer
stellte das Bild im Pfarrhof auf, wo es weitere 15 Jahre verblieb. Bei einer Pfarrhofsanierung Anfang der 1980er Jahre kam das Bild auf den Dachboden des Pfarrhauses.

Pfarrer Rudolf Schuhbach, der Anfang der 1990 er Jahre nach Pfelling kam, fand die Ikone verstaubt, verdreckt wieder, er erkannte den künstlerische Wert und die spirituelle Bedeutung eben dieser Gottesmutter Darstellung. Im Diözesanmuseum in Regensburg reinigten und schätzten die Restauratoren das Kunstwerk, welches dann auch in Regensburg verblieb. Leider ließ sich Pfarrer Schubach überzeugen, einen Leihvertrag mit dem Diözesanmuseum abzuschließen, so wird die Ikone wohl in Regensburg bleiben.

 

Bis vor jetzt fast genau 100 Jahren spendete diese Gottesmutter in einem galizischen Dorf den Gläubigen Trost und gab ihnen Hoffnung. Eine Rückführung ins ferne unbekannte Dorf ist wohl unmöglich sein. Auch wenn wir Heutzutage nicht mehr so wundergläubig wie vor 100 Jahren sind, wäre die von Kunsthistorikern schon Kazanskja von Pfelling genannte Ikone in Pfarrkirche in Pfelling am besten aufgehoben?

 

Die Kazanskaja von Pfelling ist eine qualitativ hochwertige russische Ikone, sie wird ergänzt durch eine prächtige, aus massivem Silber hergestellte Silberriza (Verkleidung)
Entstanden ist das Bild um 1730 – 50 denn der Maler war mit westeuropäischer Malerei aus der Barockzeit vertraut. Die Silberriza, eine Metallverkleidung die das Bild vor Abnutzung durch berühren und Küssen schützen sollte, ist vermutlich erst um 1820 – 30 entstanden. Das Bild selbst kann möglicherweise in Petersburg entstanden sein, da es nach dem Urbild, welches damals in Petersburg in der „Kasan Kathedrale“ stand, gemalt ist.

 

Historie zu „Gottesmutter von Kazan“
oder die „Kazanskaja“, wie sie vom russischen Volk genannt wird, ist die berühmteste Ikone Russlands. Wann genau das Original entstanden ist weiß man nicht. Eine der vielen Legenden sagt, der Evangelist Lukas habe sie gemalt.

Zur der Zeit als noch Tataren über die Stadt Kasan herrschten, (bis 1555 Hauptstadt des Tataren-Chanats) wurde das Bildnis der Gottesmutter vor den Muslimen versteckt.
Kasan und Umgebung gehörten nach der Rückeroberung durch Iwan den schrecklichen zum Reich der Rus, als 1579 ein Großfeuer einen großen Teil der Stadt vernichtete. Einem 9 jährigen Mädchen namens Matrona erschien die Gottesmutter und beschrieb ihr die Stelle, wo im abgebrannten Haus ihrer Familie die Ikone zu finden sei. Nur die Mutter glaubte dem Kind, die beiden fanden in einen Stoffballen gewickelt, das Bild unter der Ofenbank vergraben. In einer feierlichen Prozession brachten Priester das Bildnis zur Kirche d hl. Nikolaus. Am Auffindungsort errichtete man ein Nonnenkloster, in dem die Ikone nun ihren neuen Platz erhielt. Bald schon wurde von Wunderheilungen berichtet. Als Martha wurde die Finderin später Äbtissin des Klosters.

Auf Erlass Zar Iwan IV (genannt der schreckliche) wurde eine Kopie angefertigt und nach Moskau gebracht. Peter der große ließ das Original nach Petersburg in die neu erbauter (Kasaner Kathedrale) bringen.
Vor allem militärische Wunder werden dem Bildnis zugeschrieben. So gelang angeblich 1612 die Befreiung des Kremls und Moskaus von den Polen.
Zweihundert Jahre später im Jahre 1812, vor der Abreise zu seiner Armee, betete Feldmarschall Kutuzov vor der Ikone. Die Grande Armee von Napoleon wurde auf dem Weg nach Moskau und vor allem beim Rückzug vernichtet.

In Moskau und Sankt Petersburg errichtete man – zum Dank für ihre Hilfe in Kriegs- und Krisenzeiten – Kathedralen für die „Beschützerin Russlands“.
Stalin ließ die „Kazaner Kathedrale“, die 300 Jahre lang auf dem Roten Platz gestanden hatte, 1930 sprengen.
1990 – 1993 wurde durch die Moskauer Stadtverwaltung die Kirche an ihrem Originalplatz wieder aufgebaut.

Diebstahl – Raub „Gottesmutter von Kazan“
Es wurde die Jahre über immer wieder geschrieben, die Gottesmutter Ikone sei von den Kommunisten verschleppt und vernichtet worden.
Richtig ist, dass im Jahr 1904 das Originalbildnis auf mysteriöse Weise aus der Petersburger „Kasan Kathedrale“ verschwand.
Lange Zeit glaubte man, der Vatikan sei im Besitz der Original Ikone. Papst Paul der zweite soll sie 1993 als Geschenk erhalten haben, er entschloss sich zur Rückgabe an die russisch orthodoxe Kirche. Eine Untersuchungskommission fand schließlich heraus, dass die Ikone weder die Maße des 1904 verschwundenen Bildes hat noch aus dem 16. Jahrhundert stammen kann, sondern mindestens 200 Jahre jünger ist. Die Rückgabe sollte aber trotzdem stattfinden. Patriarch Alexi nahm im Jahr 2004 im Kreml in Moskau das Bild von Delegierten des Vatikans entgegen.

Glauben wir die Geschichte des ungarischen Obersten, dann hat die Gottes Mutter von Kasan ihm, seiner Familie und den unbekannten galizischen Dorfbewohnern, sofern sie nicht bei den späteren Schlachten zwischen die Fronten gerieten, Glück gebracht.

 

Benutze Quellen: Monika Gräfin Ignatiew aus 1000 Jahre christliches Russland, Dr. Carmen Roll Kunsthistorikerin. Niederschriften und mündliche Berichte von Pfarrer Schuhbach und mündliche Berichte von Frau Menacher und Albert Komma als Zeitzeugen